Artenschutzprojekt „Schutz der Bachmuschel im Kreis Paderborn“

| Projektförderung |

Die Bachmuschel

Die Bachmuschel (Unio crassus PHILIPSSON 1788) bewohnt langsam bis schnell fließende Bäche und Flüsse bis in die Oberläufe. Sie bevorzugt sauerstoffreiche und organisch unbelastete Fließgewässer (Güteklasse I–II) mit sandig-kiesigem Gewässergrund. Die Art ist sehr empfindlich gegenüberSchwankungen der Umweltfaktoren. Bachmuscheln leben bevorzugt in ufernahen Bereichen am Gewässergrund, zum Teil zwischen Baumwurzeln. Sie können in unseren Breiten ein Alter von 10 bis 15 Jahren (maximal 50 Jahren) erreichen. Die Bachmuschel ist ein aktiver Filtrierer, ihre Nahrung besteht aus kleinsten organischen Teilchen (Detritus).

Zur Vermehrung ist die getrenntgeschlechtlich lebende Bachmuschel auf das Vorkommen eines ausreichend großen Bestandes geeigneter Wirtsfische angewiesen: Die Muschellarven (Glochidien) können die Umwandlung zur Muschel nur an den Kiemen, seltener auch an den Flossen der Fische parasitierend vollziehen. Wichtige Wirtsfische sind die Elritze (Phoxinus phoxinus), der Dreistachlige Stichling (Gasterosteus aculeatus), der Döbel (Leuciscus cephalus), der Barsch (Perca fluviatilis), die Rotfeder (Scardinius erythrophthalmus) und die Koppe (Cottus gobio).

Die Abgabe der circa 0,2 Millimeter großen Muschellarven findet in den Monaten Mai bis Juli statt (etwa 20.000 bis 300.000 Larven pro Muschel). Die Larven müssen innerhalb weniger Stunden bis zu maximal drei Tagen einen passenden Wirtsfisch finden, sonst gehen sie zugrunde. Sie entwickeln sich an den Wirtsfischen zu kleinen Jungmuscheln, lassen sich nach vier bis sechs Wochen abfallen und wandern in das Bachbodenlückensystem (hyporheisches Interstitial) ein. Hier beginnt eine besonders schwierige Lebensphase. Ungünstige Bedingungen wie Sedimentverlagerungen, Sauerstoffarmut, Verschlickung oder überhöhtes Nährstoffangebot führen zum Absterben der meisten Jungmuscheln. Die Überlebenden kommen nach zwei bis fünf Jahren mit einer Größe von etwa einem Zentimeter an die Substratoberfläche, um danach als aktive Filtrierer zu leben.

Gefährdung der Bachmuschel

Die Bachmuschel (Unio crassus PHILIPSSON 1788), auch Kleine oder Gemeine Flussmuschel genannt, war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch eine der häufigsten Großmuschelarten. In den aktuellen Roten Listen der gefährdeten Tiere und Pflanzen in NRW sowie in Deutschland wird die Art als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Die Bachmuschel ist als schützenswerte Art in den Anhängen II und IV der Fauna- Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union (FFH-Richtlinie) aufgeführt. Als Ursachen für die gravierenden Bestandseinbrüche sind folgende Punkte aufzuführen:

  • Gewässerausbau und Gewässerunterhaltung,
  • Gewässerverunreinigung durch zu hohe Schad- und Nährstoffeinträge,
  • Unnatürlich hohe Schwebstoff-Frachten und dadurch bedingt eine Verstopfung des Lückensystems im Bodensubstrat,
  • Mangel an Wirtsfischen für die Muschellarven,
  • Prädatorendruck durch Bisam und wahrscheinlich auch durch Nutria.

Bis 2013 waren in Nordrhein-Westfalen nur noch zwei Reliktvorkommen der Bachmuschel bekannt. Beide Bestände befinden sich im Kreis Paderborn im direkten Einzugsbereich der Lippe: im FFH-Gebiet „Tallewiesen“ – einem Teilgebiet des Naturschutzgebietes „Lippeniederung zwischen Bad Lippspringe und Mastbruch“ und im Boker Kanal. Außerdem wurden aktuell in zwei kleinen linksseitigen Lippezuflüssen in Salzkotten („Dammgraben“, „Holser Flüthe“) und in der Lippe noch weitere Vorkommen registriert.

Artenschutzprojekt Bachmuschel

Die Bachmuschel (Unio crassus) hat im Kreis Paderborn ihre aktuell größten Vorkommen im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Seit 2001 wird im Kreis Paderborn durch die Biologische Station Paderborn/Senne das „Artenschutzprojekt Bachmuschel“ durchgeführt. Ziel des Artenschutzprojektes ist es, den aktuellen Bestand der Bachmuschel zu schützen, zu erhalten und zu vermehren. Bausteine des Projekts sind

  • Pflege und Optimierung der Lebensräume: „Tallegraben“ im FFH-Gebiet „Tallewiesen“/Paderborn, „Dammgraben“, „Holser Flüthe“ im NSG „Lippeniederung VI – Mantinghausen/Salzkotten,
  • Maßnahmen zum Schutz der Bachmuschel vor Fressfeinden: Bekämpfung von Bisam, Waschbär und Nutria,
  • Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtsfischbestände: Verbesserung der Lebensraumqualität für Wirtsfische, Bekämpfung von Prädatoren (z. B. Aale) von Wirtsfischen in Bachmuschel-Gewässern,
  • Maßnahmen zur Steigerung der Reproduktionsrate der Bachmuschel: Infektion von gut geeigneten Wirtsfischen mit Bachmuschel-Glochidien: jährliche Infizierung von Wirtsfischen (überwiegend Dreistachlige Stichlinge) im Labor im Fachbereich 26 -Fischereiökologie und Aquakultur – des LANUV NRW in Kirchhundem-Albaum,
  • Neubesiedlung von geeigneten Fließgewässern mit Bachmuscheln: Aussetzen von Wirtsfischen, die mit Bachmuschel-Glochidien infiziert wurden, z. B. in die Strothe (Lippezufluss bei Bad Lippspringe).

Die Biologische Station Kreis Paderborn-Senne e.V. übernimmt seit 2001 folgende Aufgaben in dem Artenschutzprojekt:

  • Koordinierung und Organisation des Projekts,
  • Jährlicher Fang einer größeren Anzahl von Wirtsfischen (überwiegend Dreistachliger Stichling) und Hälterung in einem speziellen Aquarium im Gebäude der Biologischen Station,
  • Jährlich Anfang Mai Suche nach trächtigen Bachmuschel-Weibchen,
  • Jährlich Begleitung des Aussetzens der infizierten Wirtsfische im „Tallegraben“, in der „Strothe“, in der „Holser Flüthe“ und im „Boker Kanal“,
  • Jährlich im Spätsommer/Herbst Biotoppflege im FFH-Gebiet „Tallewiesen“ und an der „Holser Flüthe“,
  • Unvorhergesehene „Feuerwehrmaßnahmen“ zum Schutz der Bachmuschel, z.B. im trockenen Sommer 2018: Absammeln der Bachmuscheln in der austrocknenden „Holser Flüthe“ und im „Dammgraben“ (Salzkotten) und Einsetzen der geretteten Muscheln in den Boker Kanal,
  • Stetige Beratung der zuständigen Behörden, die für die Unterhaltung der Fließgewässer mit Bachmuschel-Vorkommen im Kreis Paderborn zuständig sind,

Wissenschaftliche Begleitung der Maßnahmen, z.B. Monitoring der Bachmuschel-Bestände.

Informationen zum Projekt

Empfänger:

Biologische Station Kreis Paderborn-Senne e.V.

Bilder:

Karte: