Stiftungspreis 2019 - Deutsche Wildtier Stiftung
| Preisverleihung |
Der Stiftungspreis 2019 geht an die Deutsche Wildtier Stiftung für Verdienste um Grundlagenarbeiten zur Analyse von Zielkonflikten und Empfehlungen zum Wildtiermanagement in den Lebensräumen des Gamswildes in den Bayrischen Alpen.
Die Stiftung hat am 27.04. 2019 ihren 20. Stiftungspreis und die Antaiosmedaille an die Deutsche Wildtier Stiftung auf dem Jahreskonvent des Stifters in Scheidegg/Allgäu mit einem Preisgeld von 6000,00 € verliehen.
Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter der Abteilung Natur- und Artenschutz, nahm den Preis als Vertreter der Deutschen Wildtier Stiftung entgegen.
Die Deutsche Wildtier Stiftung ist eine durch den Unternehmer Haymo Rethwisch 1992 gegründete, private gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Hamburg, die sich für den Schutz und die Förderung von Wildtieren in Deutschland einsetzt. Sie hat sich seit 2018 um die Ermittlung und Qualifizierung von Winter- und Sommerhabitaten der Gämse im bayerischen Alpenraum und deren Abgleich mit konkurrierenden Nutzungsansprüchen (Schutzwaldsanierung, Tourismus, Verkehr) als Grundlagen für wildbiologisch sinnvolle Wildruhezonen und eine weidgerechte Bejagung verdient gemacht.
Die Prioritätensetzung „Wald vor Wild“ und die raumgreifende Schutzwaldsanierung haben seit Ende der 1980er Jahre zu einem stetig anwachsenden jagdlichen Druck auf die Gamspopulation in der bayerischen Alpenregion geführt. Gämsen und anderes Schalenwild stehen daher in Bayern im Fokus der jagdlichen und waldbaulichen Diskussionen.
Gleichzeitig ist die Gämse im Anhang V der FFH-Richtlinie gelistet. Eine jagdliche Nutzung der Art ist deshalb grundsätzlich nur erlaubt, wenn ein günstiger Erhaltungszustand vorliegt, der durch ein Monitoring regelmäßig nachgewiesen werden muss. Es gibt deutliche Hinweise, dass der Erhaltungszustand der Gamswildpopulation im Alpenraum gefährdet ist. In Deutschland findet eine Bewertung des Erhaltungszustandes von Gämsen allerdings lediglich durch Experteneinschätzungen statt.
Das Projekt „Gämse - der Konflikt in Bayern“ hat zum Ziel, die notwendigen Grundlagen für ein modernes, integratives Gamswildmanagement zu legen und Vorschläge für die zukünftige Behandlung dieser Art im alpinen bis montanen Bereich zu erarbeiten.
Dazu sind drei Schritte vorgesehen:
1.Analyse des Ist-Zustandes der Gamswildpopulation in Bayern
2.Analyse von Sommer- und Winterhabitaten und Zielkonflikten im Gamslebensraum
3.Entwicklung geeigneter Monitoringmethoden und eines Managementkonzepts
Die ersten beiden Schritte sind durch die von der Deutschen Wildtier Stiftung in Auftrag gegebene Studien abgeschlossen „Sommer- und Winterlebensräume der Gams in den bayerischen Alpen - Modellierung der geeigneten Sommer- und Winterlebensräume und flächenscharfe Darstellung von Konfliktbereichen und potentiellen Ruhegebieten in den Bayerischen Alpen“ abgeschlossen.
www.deutschewildtierstiftung.de/aktuelles/fuer-eine-bessere-gamspolitik-in-europa
www.deutschewildtierstiftung.de/naturschutz/gaemse-der-konflikt-in-bayern
Laudatio zur Preisverleihung an die Deutsche Wildtier Stiftung am 27. April 2019
Laudator: OB Forstoberrat i.R. Gerhard Zwirglmaier, Wasserburg am Inn
Sehr geehrter Landesobmann Dr. Harald Kilias, sehr geehrte Ehrengäste, liebe Ordensbrüder und Ordensanwärter, verehrte Ordensgäste!
Es ist mir eine besondere Ehre und gleichzeitig eine große Freude die Laudatio auf die Deutsche Wildtierstiftung zu halten, die sich immer wieder für die schwächsten unserer Mitbewohner - oder Mitgeschöpfe, wie sie unser Grundgesetz nennt -einsetzt und deren Lebensrecht anmahnt.
Es geht um das umfangreiche Projekt: „Gämse - der Konflikt in Bayern – das Symboltier der Alpen zwischen Schutzwaldsanierung, Skitourismus und EU-Schutz“
Der heute zu vergebende Preis bezieht sich auf das Teilprojekt: „Kartierung der Sommer- und Winterlebensräume des Gamswildes in den bayerischen Alpen“
Dazu begrüße ich ganz besonders den Projektkoordinator Herrn Dr. Andreas Kinser, die Projektleiterin Frau Dr. Christine Miller und den Projektbearbeiter Herrn Oliver Deck.
Um die Bedeutung dieser Arbeit allen verständlich zu machen, muss ich etwas ausholen und den Konflikt sowie den Umgang mit dieser Wildart in Bayern verdeutlichen.
Wenn man in Bayern das Gebirge meint und an Wildtiere denkt, so verknüpft man das immer mit der Symbolwildart der Alpen, dem Gamswild. Die Anmut, wie es sich im steilen, felsigen Gelände bewegt, ist nicht nur faszinierend, sondern verschafft unweigerlich Respekt vor diesen Tieren. Ihr Anblick bei einer Bergtour erweckt Begeisterung und war früher nicht selten.
Das hat sich allerdings geändert. In vielen Bereichen haben Gams eine sehr weite Fluchtdistanz und sind deshalb kaum noch sichtbar. Lokal sind sie auch bereits verschwunden oder zu einem nicht mehr artgerechtem, sehr heimlichen Dasein. gezwungen.
Was ist dafür die Ursache?
Mit Einführung der sogenannten Schutzwaldsanierung vor 30 Jahren ist das Gamswild nicht nur buchstäblich ins Visier der Schutzwaldsanierer geraten. Gams gelten bis heute als größtes Hindernis bei der Pflanzung junger Schutzwälder. Und diese Schutzwaldverjüngung hat gegenüber pflanzenfressenden Wildtieren eine absolute Priorität. Mit der Konsequenz: das Hindernis Gamswild ist auf diesen Flächen einfach zu beseitigen. Keiner der dafür Verantwortlichen hat darüber nachgedacht - oder es gewagt nachzudenken - wohin diese Wildtiere ausweichen können und wo sie bleiben dürfen.
Dabei stellen diese lichten Bergwälder, in denen gepflanzt wird, nicht nur für das Schalenwild, sondern auch für die übrige Fauna und Flora wertvolle, schützenswerte und geschützte Biotope dar. Sie ermöglichen eine Artenvielfalt, die ihresgleichen sucht. Dabei ist dieser Wald mit seiner Baumartenzusammensetzung nicht natürlich, sondern das Ergebnis des dort seit Jahrtausenden wirtschaftenden Menschen, der von Anfang an den Wald zurückdrängte, damit Gras für seine Haustiere wachsen konnte. Viehweide war bis in die jüngste Vergangenheit im Gebirge weitaus wichtiger als der Wald.
Der Begriff Schutzwald wird derzeit mystifiziert und gilt allgemein als „Katastrophenversicherung“. Der heutige Schutzwaldbegriff ist sehr weit gefasst. Dieser Wald ist nicht nur der Schutzwald, der Bauwerke und damit Menschenleben vor Lawinen, Steinschlag oder Hochwasser schützen soll, sondern dazu zählt auch der Wald, der aufgrund seines Standortes im Gebirge, seiner Steilheit und weil er schwierige Bedingungen für das Baumwachstum aufweist. In den Tallagen dieser Wälder befinden sich häufig nur steinige Gräben.
Der sogenannte Objektschutzwald - der z. B. bewohnte Gebäude schützt - nimmt nur ca. 1/3 der Fläche des ausgewiesenen Schutzwaldes ein.
Die Pflanzflächen in den Schutzwaldlagen gilt es nach den dienstlichen Anweisungen des Staates möglichst ganzjährig von Wild freizuhalten. Da diese Flächen meist nur mehrere Hektare umfassen, wird dazu auch großflächig das Umfeld mit einbezogen, um es vom Wild freizuhalten, das sind dann die sogenannten Sanierungsgebiete. Hinzu kommt, dass viele Sanierungsgebiete unmittelbar an einander grenzen und damit oft viele hundert Hektare zusammenhängend, nicht selten auch ganze Bergstöcke, zum Sanierungsgebiet werden.
Was bedeutet das für das Wild: In den Sanierungsgebieten sind in der Jagdzeit z. B. alle Gams - ja alle, unabhängig ihres Alters oder Geschlechts - zu erlegen. Dazu sind alle rechtlich zulässigen Jagdarten anzuwenden, heißt es in den Jagdkonzepten des Staates. Alle zulässigen Formen der Einzeljagd, Drückjagden, Stöberjagden mit Einsatz einer unbeschränkten Zahl an Hunden sind hier befohlen. Zusätzlich ist in diesen Sanierungsgebieten auf einer Fläche von 30.000 ha die Schonzeit seit nunmehr 20 Jahren ganzjährig aufgehoben.
Wenn bestimmte Forstbetriebe ein Drittel ihres Gamsabschusses in der Schonzeit schießen, dann ist naheliegend, dass hier gerade die für die Gams existenziell notwendigen Überwinterungsgebiete betroffen sind. Sie sind das Nadelöhr für das Überleben der Gams, weil sie von dort wegen hoher Schneelage, Wintersport und Kälte nicht ausweichen können.
Nach diesen Fakten stellt sich die Frage, wie sind diese Interessenskonflikte zu lösen?
Die Deutsche Wildtierstiftung versucht mit dem Projekt: „Gämse - Konflikt in Bayern“ einen Ausgleich der Interessen im Umgang mit dem Gamswild zu erarbeiten. Der Einstieg in dieses Projekt mit der Kartierung der Sommer- und Winterlebensräume ist bereits abgeschlossen.
Er war ein besonders mutiges Unterfangen, weil nicht alle davon Betroffenen über dieses Vorhaben erfreut waren. Niemand durfte bisher die Gams-Lebensräume kartieren.
Die Deutsche Wildtierstiftung mit Fr. Dr. Christine Miller, Herrn Dr. Andreas Kinser und Herrn Oliver Deck hat nun unter Leitung von Prof. Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur in Wien den Lebensraum für das Gamswild in den bayerischen Alpen kartenmäßig erfasst.
Die erarbeiteten Karten zeigen flächenscharf die Sommer- und Winterlebensräume der Gämsen. Mit diesen Ergebnissen lassen sich viele Fragen beantworten.
- In welchem Umfang wird der Gamswildlebensraum von Sanierungsgebieten überlagert?
- Welche Nutzungen finden auf diesen Flächen statt?
- Welche Naturschutzfunktionen gilt es auf diesen Flächen zu berücksichtigen?
- Wo können oder müssen Ruhezonen eingerichtet werden?
- In welchem Ausmaß werden die Winterlebensräume von den Schonzeitaufhebungsflächen überlagert?
- Bleiben überhaupt noch ausreichende Flächen für die Gams, so dass sie ihren natürlichen Lebensraum noch vollständig besiedeln können?
Die Aussage eines Gutachters: „Es ist für die Alpenpopulation der Gämse unerheblich, ob sie in diesem Landkreis vorkommt oder nicht“, wird weder dem ethischen Anspruch des Artenschutzes, den gesetzlichen Forderungen noch den Menschen vor Ort gerecht.
Warum ehrt nun die Stiftung der Landesgruppe Deutschland im Orden „Der Silberne Bruch“ den Projektträger für diese Studienarbeit?
Der Schutz von Wald, Wild und Flur sowie die Förderung von weidgerechtem Jagen ist allen Ordensbrüdern Verpflichtung. Die Erhaltung des Gamswildes in seinem Lebensraum – nicht nur in Teilen davon - ist ihnen eine Herzensangelegenheit.
Was soll nun mit diesen Lebensraumkarten und den gewonnenen Erkenntnissen passieren?
Sie sollen den dafür verantwortlichen Grundeigentümern, den Behörden und der Politik einen Spiegel vorhalten, wie es um das Gamswild steht. Sie sollen damit gleichzeitig in die Pflicht genommen werden, wie Treuhänder mit einem ihnen anvertrauten öffentlichen Gut umzugehen. Politiker und ihre Wähler wissen vielfach nicht wirklich, wie es um die Gämsen steht und wie wenig ihre artgemäßen Bedürfnisse beachtet werden. Dem ist mit den Ergebnissen aus der Teilstudie nun abgeholfen.
Die Gams dürfen nicht zwischen den vielfältigen Interessen der Landnutzer und der Freizeitindustrie zerrieben werden. Denn Wildtiere gehören weder den Grundeigentümern noch den Jägern, sie sind herrenlos und somit ein Volksgut!
Die Volksseele liebt die Gämsen, davon zeugen viele Malereien an den Häusern und kein anderes Wild wird mehr besungen als die Gams. Das war nach Franz von Kobell bereits im 19. Jahrhundert so. Und auch heute bestätigt das eine Emnid Umfrage der Deutschen Wildtierstiftung in Bayern: 70 % aller Befragten lehnen danach eine Schonzeitaufhebung ab, auch wenn der Wald dann besser wachsen würde.
Gämsen sind ein Stück Heimat, die es auch für unsere Nachkommen in freier Natur erlebbar zu erhalten gilt. Dazu kann die Lebensraumkartierung einen wesentlichen Baustein liefern.
Wir bedanken uns dafür ganz herzlich bei der Deutschen Wildtierstiftung, besonders bei Herrn Dr. Andreas Kinser, Frau Dr. Christine Miller und Herrn Oliver Deck. Die Stiftung, „Wald, Wild und Flur in Europa“ zeichnet ihre Arbeit mit der Antaios-Medaille und einem Preisgeld von 6.000 € aus. Dazu herzlichen Glückwunsch!
Informationen zum Projekt
Empfänger:
Deutsche Wildtier Stiftung